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Hospiztagebuch – Tag 33 – 27.07.2017

Es ist krass. Irgendwie bin ich jetzt auch schon wieder über einem Monat im Hospiz. Ich versteh gar nicht wie das geht, wo ist die Zeit nur hin?

Wenn ich mich nicht verzählt habe (beim Chemotagebuch habe ich mich definitiv mit den Tagen verzählt…!) bin ich den 33. Tag jetzt hier.

Mir ist so, als wäre ich letzte Woche erst „eingeliefert“ worden.

Ich habe allerdings auch erst jetzt, nach gut einem Monat also, das Gefühl hier langsam anzukommen… Ich kann mich mehr und mehr darauf einlassen. Auf die Umgebung hier ja sowieso (ist wirklich idyllisch hier, viel grün, viel Ruhe, viel Natur einfach), das war nie ein Problem.

Da wusste ich sofort „Das ist es!“

Aber auch mit den Menschen hier werde ich langsam warm. Es gab da durchaus diverse „Zwischenfälle“ die wirklich extrem unglücklich gelaufen sind.

Ereignisse die mich sehr geprüft herausgefordert haben und deswegen auch wichtig waren.

Ich will auch garnicht breit treten was genau vorgefallen ist, nur so viel sei gesagt: ich habe meine Lektionen daraus gelernt 🙂

In diesen 32,5 Tagen bisher habe ich mich keinen einzigen Augenblick gelangweilt tatsächlich.

Und dabei schaue ich kein Fernsehen, lese keine Bücher und lass mich auch nicht von Hörbüchern berieseln…

Langeweile ist mir tatsächlich ein Fremdwort bisher.

Viele viele Dinge sind mir in den letzten Tagen und Wochen bewusst geworden. Vieles sehe ich nun klarer und dadurch auch gelassener.

Dennoch ist die Angst nach wie vor meine ständige Begleiterin. Sie dominiert zwar nicht meine Gefühlswelt, allerdings sagt sie mehrmals täglich kurz „Hallo!“.
Ich lade sie mehr und mehr dazu ein zu bleiben, mit mir ein bisschen zu palavern. Mir ein bisschen was aus ihrer Vita vorzutragen…

Doch was soll ich sagen… Die Angst ist eine schüchterne Zeitgenossin, sie bleibt nie sehr lang und gibt auch keine Informationen preis.

Doch ich habe Zeit, unendlich viel Zeit 🙂

Wie geht es mir gesundheitlich gerade?

Nun… vergangenen Freitag hat die Ärztin mein Schmerzmittel umgestellt.

Statt wie bisher Morphin erhalte ich seitdem das 7mal stärkere (synthetische) Hydromorphon.

Dies wurde durch die Ärztin Anfangs jedoch viel zu niedrig dosiert (das ist die Vorgehensweise nach Standardprotokoll, eine Reduktion um 25-50% der bisherigen Dosis) was dazu führte, dass es mir 3 Tage richtig beschissen ging.

Zu allem Überfluss war die Ärztin der Meinung die Pumpe mit einem Code versehen lassen zu müssen, damit ich selber nicht mehr Einfluss auf die Schmerzmittelrate nehmen kann.
Das ist aus der Perspektive der Ärztin schon nachvollziehbar, denn sie kann in die Verantwortung genommen werden wenn mit den Schmerzmitteln was schief läuft. Wir reden hier ja nicht von Aspirin sondern von Medikamenten die dem BtMG unterliegen. Das macht die ganze Sache um ein vielfaches brisanter.

Dazu kommt, dass meine Dosierung alles übersteigt was alle Ärzte bisher gesehen haben.

Nur um sich das etwas vorstellen zu können.
Bei starken Schmerzen wird Hydromorphon mit einer Dosierung von 50-80mg pro Tag verabreicht (über den Tag verteilt).

Ich bekomme allein durch die kontinuierliche Rate ca. 170mg Hydromorphon plus nochmal das was ich an Boli (Sonderzugaben) benötige. So im Schnitt nochmal 70-100mg pro Tag.

Das die Ärztin da ein bisschen besorgt ist, kann glaube ich jedermann nachvollziehen.

Allerdings finde ich es suboptimal, dass mit mir nicht darüber gesprochen wurde, sondern das einfach über meinen Kopf hinweg entschieden wurde und ich nicht informiert wurde…

Da fühle ich mich übergangen und nicht ernst genommen. Das habe ich der Ärztin auch so gesagt und ich hoffe, dass sie das für die Zukunft beherzigt.

Zum Stichwort „Höchstdosierung Hydromorphon“ kann man im Netz nicht besonders viel finden. Außer dass es im Grunde keine Höchstgrenze gibt. Entscheidend ist die Verträglichkeit sowie die Stärke des Schmerzes.

Allerdings wird das Risiko von Nebenwirkungen ja nun auch nicht gerade geringer indem man die Dosis immer weiter erhöht.

Also haben wir uns darauf geeinigt, dass wir ein weiteres Schmerzmittel in die Therapie integrieren, sollte die bisherige Morphonrate nicht mehr ausreichen.

Dazu müsste ich zwar zur klinischen Überwachung für 2-3 Tage ins Krankenhaus, aber da bin ich ja ebenfalls gut aufgehoben, man kennt mich dort… 🙂

Es hat also bis gestern gedauert, bis die korrekte Rate gefunden wurde (ich hatte die Gelegenheit genutzt, als eine Pflegerin vergaß die Pumpe zu sperren, die Rate einzustellen, die ich für sinnvoll erachte, und siehe da: es läuft…).

Schmerzfrei bin ich zwar nicht, aber es ist erträglich.

Von den Schmerzen abgesehen geht es mir sehr gut. Ich fühl mich fast schon mies deswegen, aber streckenweise bin ich wirklich und in Echt glücklich und zufrieden…

Wie soll es nun weiter gehen?

Tja… Gute Frage. Wenn die Schmerzen noch schlimmer werden, trotz stärkerem Schmerzmittel, muss man sich die Frage stellen, was den Schmerz auslöst. Was so starke Schmerzen verursacht kann auf Dauer nicht wirklich gesund sein…

Da ich in den letzten Tagen mehrfach normal abgeführt habe kann der stärkere Schmerz jedoch auch mit den Darmaktivitäten zusammenhängen.

Wenn der Darm längere Zeit inaktiv war und dann wieder beansprucht wird, kann das durchaus stark schmerzen (vergleichbar mit einem Furz der einem verquer liegt, nur zigfach stärker).

Dann wären die Schmerzen ein wahrhaft positives Signal.

Das muss ich jetzt einfach abwarten. Konditionell geht es mir nämlich eher solala, für längere Spaziergänge fehlt es mir nach wie vor an der nötigen Ausdauer. Muss man einfach sehen wie sich das entwickelt, auch im Zusammenhang mit den Schmerzen natürlich…

Ansonsten ist man hier sehr bemüht mir den Aufenthalt so angenehm wie nur irgend möglich zu gestalten.

Werde ich nun hier sterben?

Das wird einzig und allein die Zeit zeigen…

Hospiztagebuch – Tag 31 – 25.07.2017

Irgendwie fühle ich mich nicht frei. Es ist total seltsam…

Da bin ich nun hier im Hospiz angekommen, an meinem vermeintlichen Lebensende und dennoch fühle ich immernoch diesen inneren Druck.

Kann immer noch nicht wirklich loslassen.

Nun gut. Dieser innere Druck ist also da. Er möchte gesehen werden.

So sei es…

Hospiztagebuch – Tag 27 – 21.07.2017

Ich will „ich“ selbst sein. Erstens will ich herausfinden wer „ich“ bin (immernoch, dieses „ich“ suche ich ja schon ewig… 😀 ) und dann will ich dementsprechend leben…

Das heißt im Umkehrschluss…

Das bedeutet im Grunde, dass ich jetzt „fremdgesteuert“ bin.

Stellenweise lebe ich noch nicht „mir“ entsprechend, glaube allerdings dass ich auf einem guten Weg bin.

Wobei… So genau kann ich das nicht sagen, bei meinem Drogenverbrauch… Da ist irgendwie klar, dass ich mich mental „gut“ fühle (so in Watte eingepackt)…

Hospiztagebuch – Tag 17 – 11.07.2017

Bin ich „schwierig“ weil ich eigene Vorstellungen habe? Weil ich Wünsche und Bedürfnisse habe?

Wie sehen mich andere Menschen. Mit welchen Augen sehen mich andere Menschen.

Darüber weiß ich leider sehr sehr wenig denn kaum jemand spricht mit mir darüber was sie oder er über mich denkt. Ich denke mal das wird vielen ähnlich gehen.

Das ist ein ganz großes Thema… „Wie werde ich von meiner Umwelt wahrgenommen“.

Hier im Hospiz, indem ich ja nun seit 2 Wochen bin, habe ich natürlich mehr Zeit denn je über alles nachzudenken.

Alles zum tausendsten Mal in Frage zu stellen…

Was ist nun wahr und richtig? Was davon ist mein Weg? Was davon fühlt sich für mich stimmig an?

Also mein Geist ist rege. Körperlich bin ich stabil, der Blutwert ist sogar derzeit bei über 9…

Scheiß auf die Werte! Kann auch von heut auf morgen abfallen, sind ja nur Momentaufnahmen… Und im Moment geht es mir soweit gut.

Klar, ich bin nach wie vor an diverse Schläuche angeschlossen.

Eine Kurzinfusion (Magenschutz, Schmerzmittel, Mittel gegen Übelkeit/zum Einschlafen) jagt die nächste. Zwischendrin gibt es „Sterofundin“, das ist Wasser mit Elektrolyten, eine spezielle Zusammensetzung.

Naja, die Morphinpumpe die ständig tickert. Und natürlich mein Flüssigschnitzel aus dem Beutel nicht zu vergessen… 😀

Und ganz neu im Programm ist ja Miss PEG Sonde… Darf ich vorstellen…

Ein neuer Schlauch. Über den wird zur Abwechslung was abgegeben…

Wie auch immer… Von dem ganzen Krempel mal abgesehen… Geht es mir ganz gut… o.O

Irgendwie wenig glaubhaft…

Krebstagebuch – Tag 406 – 19.06.2017

Mein Zustand ist nach wie vor „stabil“ was im Grunde nur bedeutet, dass ich noch lebe.

Ich übergebe mich regelmäßig, meist morgens und abends. Danach ist die Übelkeit zumindestens verschwunden. Der geblähte Bauch ebenfalls. Es geht mir etwas besser.

Dass ich derzeit auch kein Blut erbreche ist einigermaßen ermutigend. Es bedeutet jedenfalls, dass es bisher nicht geblutet hat.

Es bedeutet jedoch nicht, dass es nicht wieder bluten wird…

Das ist der grausame Zwiespalt der durchaus das Potential hat mich zu zerreißen. Das jedoch zuzulassen käme einer Aufgabe gleich. Dann hätte ich mir das alles auch ersparen können…

Nein, jedenfalls SO wird es nicht zu Ende gehen.

Ich mag den Ausdruck „Kampf“ in diesem Zusammenhang nicht. Man sagt gern „Bis zum Ende wird gekämpft“

Nein! Ich will nicht kämpfen. Gegen wen oder was denn? Gegen mich selbst? Ein Kampf GEGEN den Krebs kommt einem Kampf gegen mich selber gleich. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Krebs nicht mein Feind ist. Keine Krankheit ist mein Feind.

Ich glaube, dass jede Krankheit die Sprache meines Körpers ist. Er schreit „Schau hierher!“

Kein Arzt kann mir sagen woher der Tumor kommt. Genauer gesagt warum er plötzlich beginnt zu wachsen. Was da biologisch vor sich geht kann man einigermaßen erklären. Warum das bei dem einen aber plötzlich zu wuchern beginnt und bei dem anderen einfach direkt wieder abgebaut wird ist schulmedizinisch unklar.

Außerhalb der Schulmedizin findet man allerdings Lösungsansätze. Und einer dieser Ansätze beinhaltet eben, dass man mal seinen Standpunkt verlässt. Das man einfach mal die Perspektive verändert und damit beginnt „Krankheiten“ nicht mehr als Feinde zu betrachten…

Der Tumor ist ein Teil von mir, es ist mein Zellmaterial und es wächst in meinem Körper. Wenn ich gegen diesen Tumor kämpfe, kämpfe ich gegen mich selbst!

Ich bin mir sicher, dass ich diesen Gedanken im Verlaufe des Tagebuchs bereits mehrfach schriftlich fixiert habe. Das zeigt jedoch nur dessen Wichtigkeit (nicht unbedingt dessen Richtigkeit…)

Wie geht es mir jetzt gerade? Das ist eine sehr schwierige Frage (die mir natürlich andauernd gestellt wird).

Mir geht es gut…

Ist das Glaubhaft? Glaube ich mir das selbst? Kann es mir überhaupt „gut“ gehen?
Künstlich ernährt, bis Unterkante Oberlippe mit Morphin und THC vollgepumpt, von Übelkeit und Erbrechen geplagt… Und das sind nur die körperlichen Aspekte.

Gleichzeitig begleitet mich die Angst jeden Moment erneut einen Zusammenbruch zu erleiden.

Ich weiß gerade nicht ob ich so einen Schock schonmal näher erläutert habe. Und gerade frage ich mich auch, ob das überhaupt hierher gehört…

Ich meine, will ich mich daran irgendwann mal erinnern? Hat es insofern einen „therapeutischen Nutzen“ als das es mich vor neuem Unheil bewahren kann?!?

Ich glaube das ist nicht notwendig. Es genügt wenn ich hier vermerke, dass ich Todesangst hatte!

Ich habe in den letzten 2 Wochen 2 mal direkt hintereinander verdammte, scheiß Todesangst gehabt! Und das in Situationen in denen niemand sterben will…

Diese Erlebnisse haben sich förmlich eingebrannt und das obwohl ich sonst alles vergesse (dem Morphin/THC sei dank).

Damit ins Reine zu kommen… Die unmittelbare Möglichkeit des eigenen Todes vollends zu akzeptieren (denn anders werde ich diese Angst nicht los werden). Das ist nun meine große Auf-Gabe (bei der ich möglichst nicht aufgebe).

Die Möglichkeit mich hier auszudrücken hilft mir auf jeden Fall dabei. Es niederzuschreiben (teilweise immer und immer wieder das Selbe) hilft mir dabei es bewusst zu machen. Es immer wieder auch kritisch zu hinterfragen. Mich damit auseinanderzusetzen.

Und warum mache ich das Öffentlich? Ich meine das am Anfang irgendwann mal erklärt zu haben. Leider kann ich mich nicht daran erinnern wie ich es damals begründet habe.

Wenn ich mir diese Frage heute stelle… Nun, wieso mache ich das öffentlich…

Es ist auf jeden Fall kein „Ego-Ding“ wo es mir darum geht mich zu präsentieren oder so, eher genau das Gegenteil.

Außerdem möchte ich „Außenstehenden“ einfach die Möglichkeit geben sich „damit“ (mit dieser Situation und mit Krebs an sich) auf andere Art und Weise auseinanderzusetzen. Möglicherweise Antworten auf Fragen zu erhalten die sie nicht gestellt haben. Ich würde mich freuen wenn es oft zu Momenten kommt wo Du denkst „Joh, SO habe ich das bisher noch gar nicht gesehen“.

Es geht mir nicht darum Recht haben zu wollen. Es ist mir eher unangenehm so oft „Da hast Du Recht!“ zu hören. Ich will mich ja nicht als Klugscheißer aufspielen. Das ist nicht meine Ambition.

Ich möchte gern „Bewusstheit“ weitergeben.

Und dieser Blog gibt mir die Möglichkeit dazu quasi rumzuklugscheißern ohne anderen ungefragte Ratschläge zu geben 😀 😀 😀

Chemotagebuch – Tag 401 – 14.06.2017

Ich befinde mich mal wieder in der Klinik. Mein Zeitgefühl hat mich zwar zwischenzeitlich komplett verlassen, aber über eine Woche bin ich sicher schon hier…

Ich hatte einen üblen Zusammenbruch. Kreislauf schwach, plötzlicher Schweißausbruch, gefühlte Liter, kalter Schweiß… Zittern am ganzen Körper…. Kälte… Kurzer, schneller Atem…

Ich dachte: „Jetzt ist es soweit. Ich will nicht sterben. Ich will noch nicht sterben!“

Als der Notarzt eintraf hatte meine Frau mich mit konzentriertem Atmen schon wieder etwas beruhigt. Im Krankenhaus konnte ich dann noch weiter stabilisiert werden.

Nach wenigen Tagen im Krankenhaus der nächste Zusammenbruch. Obwohl in „geschützter Umgebung“ (Palliativstation) geschehen, ganz üble Szenen die sich da eingebrannt haben.

Und wieder habe ich gedacht: „Jetzt ist es soweit. Ich will noch nicht sterben!“

Ich lebe noch. Mein Zustand hat sich in den letzten Tagen soweit stabilisiert. Dennoch bleibt die Angst vor einem weiteren Zusammenbruch.

Es kann jederzeit soweit sein, und es kann auch jederzeit der letzte Shock sein den ich verkrafte…

Auch wenn mein Zustand derzeit stabil ist, gibt es keinen Grund zum jubeln.
Der Tumor ist in den 12-Finger-Darm hinein gewachsen. Auch die Bauchspeicheldrüse ist nicht mehr in Sicherheit.
Es blutet diffus in meinen Magen. Die Blutung kann nicht dauerhaft gestoppt werden.
Früher oder später kommt es erneut zu einem Shock (Kreislaufzusammenbruch).

Wir haben uns in dieser Woche 2 Hospize angesehen, heute vormittag erst waren wir in Handorf.

Ist natürlich ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man nicht mehr nach Hause zurück kehrt. Zu wissen, dass das Hospiz nun mein neues Zuhause ist…

Aber so richtig ist diese Wahrheit bei mir noch nicht angekommen, das wird wohl auch noch ein bisschen dauern. Das sind einfach die Umstände. Viel zu heftig, als das man das irgendwie auch nur annähernd in Worte fassen könnte.

Die letzten Tage waren für alle Beteiligten der Wahnsinn. Und zwar im Positiven als auch im Negativen.

Es kann jederzeit wieder soweit sein… Ausgang ungewiss… Wie geht man damit um? Wie gehe ich damit um? Wie soll meine Frau damit umgehen?

Eine Patentantwort gibt es sicherlich nicht. Ich sehe nun jeden Tag für sich. Tag für Tag.

Nun heißt es auf einen Hospizplatz warten…

Tja, und dann…?!? Irgendwie das Beste draus machen, so abgedroschen es klingt. Kopf heben, Dreck abklopfen, weiter laufen…

Sich einerseits mit dem nahen Tod anzufreunden und andererseits sich ein Fünkchen Hoffnung zu bewahren, das ist jetzt die Prämisse.

Chemotagebuch – Tag 386 – 29.05.2017

Wieder eine Phase in der es keine Beiträge gab…

Heißt für mich: es ging mir schlecht… So schlecht, dass ich nichtmal zum Jahrestag des Chemotagebuches geschafft habe ein paar Zeilen zu schreiben.

Der war übrigens am 23.05.2017…

Was ist also los gerade?

Ich nehme so gut wie keine feste Nahrung zu mir und das was ich zuführe kommt häufig wieder retour…

Angeblich drückt der Tumor auf eine Darmschlinge, was quasi eine Passagestörung verursacht die wiederum dafür sorgt, dass die aufgenommene Nahrung das Weite sucht (und zwar außerhalb).

Irgendwie ist das für mich nicht plausibel. Leider habe ich aber auch keine bessere Erklärung.

Der Darmbereich ist halt von außen sehr schwer einzusehen.

Wie geht es nun weiter?!?… Das ist eine sehr gute Frage. Im Moment, just in diesem Augenblick habe ich darauf keine Antwort… Ich weiß verdammt nochmal nicht wie es weiter geht.

Welche Pillen soll ich jetzt fressen? Welches geheime Hausmittelchen könnte helfen? Ich habe keine Ahnung. Und im Moment habe ich auch ehrlich gesagt keinen Bock mehr. Es ermüdet mich.

Vielleicht schlafe ich deswegen gerade so viel… Keine Ahnung…

Chemotagebuch – Tag 361 – 04.05.2017

Es gibt so Momente der Klarheit. Diese Momente sind nicht immer unbedingt (erstmal) angenehm…

Hinter der Fassade des „Schönredens“ und „Positivdenkens“ verbirgt sich die Wahrheit. Will heißen, dass was wirklich IST unabhängig davon was ich oder sonstiger davon hält.

Einfach nur die nackte Wahrheit, ob ich sie nun wahrhaben will oder nicht.

Und manchmal passiert es nun, dass diese Wahrheit die Fassade des Glaubens durchdringt und sich zeigt…

Klingt jetzt alles ziemlich dramatisch irgendwie, dabei sehe ich es eher pragmatisch.

Schlussendlich kommen die Dinge sowieso wie sie kommen sollen, daran kann niemand etwas ändern. Du kannst Dir in den Kopf setzen reich zu werden, wenn das in Deinem Lebensplan nicht vorgesehen ist, wirst Du immer und immer wieder scheitern…

Die Schulmedizin sagt mir, dass die angewendete Chemotherapie ausdrücklich nicht dazu „geeignet“ ist (d.h. man geht nicht davon aus) mich gesund zu machen.

Sie dient ausschließlich der Erhaltung des „Status Quo“ was in sich auch schon irgendwie ein Witz ist (ich mein wir reden hier von Zytostatika und nicht von Aspirin, das Zeug ist krebserregend, Erbgut verändernd und kann unfruchtbar machen,… Und damit will die Schulmedizin des „Status Quo“ erhalten… Sagen Dir die Ärzte eiskalt ins Gesicht…)…

Und nicht nur, dass die etablierte Medizin mich nicht heilen kann ist es auch noch so, dass ich ja seit geraumer Zeit schon künstlich am Leben erhalten werde. Denn Tatsache ist, wenn ich meine Flüssignahrung mal ein paar Tage nicht bekomme, geht es steil bergab… Bei meinen derzeit knapp 60 Kilo wird es nicht lange dauern bis die ersten Organe versagen wenn keine Energie geliefert wird.

Dennoch bin ich irgendwie optimistisch lebend aus dieser Geschichte heraus zu gehen. Woher kommt dieser Optimismus? Ist das reiner Selbsterhaltungstrieb?

Oder gibt es belastbare Fakten die diesen Optimismus begründen? *grübel*

Ich werde mal in mich gehen und ein bisschen drauf rumdenken…

Chemotagebuch – Tag 344 – 17.04.2017

Ich muss ein paar Zeilen aufschreiben. Blöder Gedanke eigentlich schon wieder „ich muss“. Wer zwingt mich denn?

Ich hatte die Tage eine Art Nervenzusammenbruch. Das Wort klingt irgendwie so gewichtig, vermutlich weil man es (glücklicherweise) so selten nutzt. Es gab diesen Moment wo einfach alles über mir zusammengebrochen ist.

Oder in mir.

Die absolute Ohnmacht. Irgendwie auch befreiend, ja. In erster Linie jedoch erdrückend. Demütigend.

„Liebevoll erlöse und vergebe ich alles Vergangene.

Ich lerne jetzt zu vergeben, vor allem mir selbst.

Ich öffne mich für die Liebe und lasse sie alles auflösen was meiner Heilung im Wege steht.“

Dieses „Mantra“ begleitet mich durch diese „depressive Phase“ (ich mag das Wort „Depression“ sowas von mal überhaupt nicht…). Vielen herzlichen Dank an dieser Stelle liebe Ursula Cordula mit Grüßen in die Schweiz…

Es hilft schon es einfach immer und immer wieder zu rezitieren. Konzentriert natürlich. Es entfaltet innerhalb sehr kurzer Zeit jedenfalls eine für mich spürbare Wirkung. Ich hoffe das genügt…

Seit ein paar Tagen habe ich jetzt auch mit einem neuen Phänomen zu tun. Und ob ich will oder nicht, meine Angst es könnte sich irgendwann mal etwas „Großes“ hinter so einem Symptom verstecken wuchs auch und ist präsenter denn je…

Von Jetzt auf Gleich habe ich Magensaft am Rachen stehen, was natürlich ganz fürchterlich brennt.
Meistens gelingt es mir zwar die Situation wieder zu entspannen bevor ich mich übergeben muss. Doch hin und wieder…

Das kann doch nicht gesund sein…?!?

Mein Bauch ist auch ständig gebläht, fühlt sich an wie ein prall gefüllter Medizinball. Das kann doch nicht gesund sein…

Nur die Ruhe bewahren, nicht in Panik ausbrechen. Tief durchatmen. Alles wird gut.
Am Ende wird immer alles gut. Und wenn es eben nicht gut ist, tja, dann ist es auch noch nicht zu Ende…

In diesem Sinne: fröhliche Wiederauferstehung 🙂

Chemotagebuch – Tag 332 – 05.04.2017

Nicht mehr lange und das Jahr ist voll.

Am 23.05.2016 hatte ich meine erste „Sitzung“… Wie schnell die Zeit vergeht.

Die letzten Tage geht es mir soweit sehr gut. Zwar ist mein Schlafrythmus immer noch für die Katz aber die Schmerzen lassen nach. Ich brauche wieder weniger Boli und ich habe wieder Phasen dabei wo ich tatsächlich völlig schmerzfrei bin…

Im nächsten Step möchte ich gern die kontinuierliche Morphin-Rate wieder reduzieren.

Von den Schmerzen abgesehen habe ich seit der Vitamin-D-Gabe auch wieder mehr Kraft für diverse Aktivitäten. Das hat ja direkt nach 2 Tagen eingesetzt und hält tatsächlich bis heute an.

Das ständige gluckern und glucksen, rumoren, die Bewegungen in meinem Unterbauch, das alles begleitet mich nach wie vor. Mal mehr mal weniger…

Mein Antrag auf Kostenübernahme für medizinisches Cannabis wurde abgelehnt. Toll, klasse, prima!

So wie es aussieht hat mein Arzt den erforderlichen Fragebogen nicht vollständig und korrekt ausgefüllt. So ganz genau bin ich noch nicht dahinter gestiegen was jetzt die wirklichen Gründe sind.

Wenn ich so drüber nachdenke… Da ist ganz schön viel zusammengekommen und schief gelaufen. Briefe wurden nicht zugestellt, Rückrufe wurden nicht getätigt, E-Mails wurden nicht gelesen, Inhalte wurden nicht verstanden…

Wie dem auch sei, es gibt Plan B.

Diesbezüglich war heut meine Ansprechpartnerin vom Palliativnetz zu Besuch und wir sind die weitere Vorgehensweise durchgegangen.

Nun gut. Aufstehen, Dreck abklopfen, weiterlaufen… Es bleibt spannend…

Obwohl es mir im Moment echt gut geht habe ich manchmal völlig grundlose depressive Verstimmungen.

Von jetzt auf gleich zweifle ich an Allem. Von jetzt auf gleich erscheint mir alles so sinnlos. Von jetzt auf gleich verliere ich die Lust auf jegliche Unternehmung.

Und während ich diese Zeilen schreibe, wird mir wieder mal bewusst, wie wichtig es ist, auch diese Gefühle zuzulassen und zu durchleben. Zu durchfühlen… Den Zweifel. Die Sinnlosigkeit. Die Lustlosigkeit.

Je mehr ich mich davon abnerven lasse, desto machtloser/ohnmächtiger fühle ich mich.

Um also die Macht wieder zu erlangen, gebe ich den unliebsamen Erscheinungen ihren Raum. Klingt irgendwie paradox und dennoch plausibel…

Verrückte Welt 🙂