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Hospiztagebuch – Tag 17 – 11.07.2017

Bin ich „schwierig“ weil ich eigene Vorstellungen habe? Weil ich Wünsche und Bedürfnisse habe?

Wie sehen mich andere Menschen. Mit welchen Augen sehen mich andere Menschen.

Darüber weiß ich leider sehr sehr wenig denn kaum jemand spricht mit mir darüber was sie oder er über mich denkt. Ich denke mal das wird vielen ähnlich gehen.

Das ist ein ganz großes Thema… „Wie werde ich von meiner Umwelt wahrgenommen“.

Hier im Hospiz, indem ich ja nun seit 2 Wochen bin, habe ich natürlich mehr Zeit denn je über alles nachzudenken.

Alles zum tausendsten Mal in Frage zu stellen…

Was ist nun wahr und richtig? Was davon ist mein Weg? Was davon fühlt sich für mich stimmig an?

Also mein Geist ist rege. Körperlich bin ich stabil, der Blutwert ist sogar derzeit bei über 9…

Scheiß auf die Werte! Kann auch von heut auf morgen abfallen, sind ja nur Momentaufnahmen… Und im Moment geht es mir soweit gut.

Klar, ich bin nach wie vor an diverse Schläuche angeschlossen.

Eine Kurzinfusion (Magenschutz, Schmerzmittel, Mittel gegen Übelkeit/zum Einschlafen) jagt die nächste. Zwischendrin gibt es „Sterofundin“, das ist Wasser mit Elektrolyten, eine spezielle Zusammensetzung.

Naja, die Morphinpumpe die ständig tickert. Und natürlich mein Flüssigschnitzel aus dem Beutel nicht zu vergessen… 😀

Und ganz neu im Programm ist ja Miss PEG Sonde… Darf ich vorstellen…

Ein neuer Schlauch. Über den wird zur Abwechslung was abgegeben…

Wie auch immer… Von dem ganzen Krempel mal abgesehen… Geht es mir ganz gut… o.O

Irgendwie wenig glaubhaft…

Chemotagebuch – Tag 29 – 20.06.2016

Es ist mal wieder Zeit für ein paar Zeilen.

Die letzte Woche war einfach zu heftig für mich, irgendwie fehlte die Motivation für alles. Auch für dieses Tagebuch. Da ich selbst keine Anforderung habe an dieses „Projekt“ ist das auch völlig okay… Ich habe sogar Phasen dazwischen wo ich das alles in Zweifel ziehe. Wie sinnlos, diese Gedanken überhaupt aufzuschreiben.

Naja, die typischen Selbstzweifel eben. Sie begleiten mich. Das ist auch okay, ich muss dieser Stimme ja nicht nachgeben.

Im Moment schlafe ich viel, naja, „ruhen“ ist vielleicht der bessere Ausdruck. Ich muss mit meinen Kräften gut haushalten, irgendwie einen Kompromiss finden zwischen rumpimmeln und blindem Aktionismus.

Denn ganz ehrlich, nur rumgammeln ist für mich echt anstrengend. Ich muss erstmal lernen das zuzulassen. Mir wirklich die Zeit für mich zu nehmen. Nicht weil ich es will sondern weil ich es brauche. Weil mein Körper es braucht.

Das ist irgendwie jetzt der Weg. Ich muss erst zum völligen Ego-Arsschloch mutieren, völligst zu mir selbst finden. Alle Teile strikt und rigoros zurückweisen die nicht zu mir gehören, bis nur noch das übrig bleibt was ich wirklich bin. Wer ich wirklich bin.

Ich will kein Ego-Arschloch sein. Ich will gemocht werden. Ich will von allen gemocht werden.

Das ist die alte Platte die „in mir“ läuft. Mein altes Programm.

Ich muss mich so verhalten, dass ich möglichst mit niemandem anecke. Niemanden verletzen. Niemanden vor den Kopf stoßen.

Koste es was es wolle. Ich muss mich verbiegen. Teilweise mache ich das schon so lange, dass es mir gar nicht bewusst ist. So festgefahrene Angewohnheiten. Fesseln die ich mir selbst angelegt habe.

Die meisten von ihnen in meiner Kindheit. Da wo es mir wichtig war dass meine Mutter mich mag.

Diese Zuwendung habe ich offenbar nicht bekommen. Ich habe also gelernt mich so zu verhalten wie es von mir erwartet wird.

Habe mir so einen Kokon aufgebaut der mich umgibt. Einen Kokon aus Erwartungen und Verhaltensweisen. Mechanismen die mir helfen gemocht zu werden.

Das alles funktioniert soweit ganz gut. Funktionierte jedenfalls. Nun ist der Krebs da.

Für mich steht das in unmittelbaren Zusammenhang.

Der Krebs ist da wo ich nicht bin. Je mehr ich mich verbiege und Wege gehe die andere mir weisen, desto mehr Platz mache ich für den Krebs. Der Krebs kann nur da sein wo ich nicht bin…

Also muss ich mir diesen Raum zurückerobern.

Es ist MEIN Leben! Das sind erstmal große Worte und ich kann sie nicht mit Leben füllen, weil ich ja gar nicht weiß was „MEIN“ eigentlich ist. Weil ich es ja nie gelernt habe, nie auf Tuchfühlung mit mir selbst gegangen bin. In mich hinein horche, was „mir“ in Wirklichkeit entspricht.

Klar, bei manchen Dingen weiß ich das. Was ich gerne esse zum Beispiel. Musik die mir gefällt. Die gefällt mir ja nicht weil jemand mir das so beigebracht hat, sondern da kann ich es zulassen das zu mögen was mir entspricht. Da ist mir ja auch Bockwurst was irgendjemand denken könnte. Da lebe ich mich gewissermaßen schon aus, lebe mich selbst.

Vielleicht ist Musik auch deswegen so wichtig für mich.

Ich glaube wenn ich den Tumor besiegen will und auch den Krebs an sich (für mich ist der Tumor nicht der Krebs, das sind 2 verschiedene Dinge), muss ich zu mir selbst finden.

Ich muss meinen Raum einnehmen, den Raum den ich bisher anderen zur Verfügung gestellt habe. Den Raum, den der Tumor sich unter’n Nagel gerissen hat.

Es mag sein, dass der pure Egoismus eine Zwischenstation ist, sicherlich nicht jedoch das Endziel.

Da wo Liebe ist, hat Egoismus ja keinen Platz, insofern ist Egoismus nur eine Zwischenstation.

Darauf muss ich mich konzentrieren. So habe ich wenigstens ein Ziel.

Bei ALLEM was ich tue, sage, erlebe… Kritisch zu prüfen und zu hinterfragen ob mir das wirklich entspricht. Ist das wirklich das was ich will? Will ich das so sagen? Will ich das so tun? Fühlt sich das für mich authentisch an?

Wer bin ich?

Chemotagebuch – Tag 14 – 05.06.2016

Das Leben ist eine große Entdeckungsreise. Auf den Spuren der Bewusstheit.

Ich BIN Bewusstsein (und auch Unbewusstsein), nicht ich HABE ein Bewusstsein.

Bewusst und Unbewusst sind nur 2 Seiten der selben Medaille. Nur Formen für das was wir ich „Realität“ nennen nenne.

Ein Teil von „der Welt“. Andere Teile sind „Materie“, „Erfahrungen“, „Beziehungen“… Um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen. Alle haben jedoch eins gemeinsam: allesamt sind nur Ausdrucksformen („Gefäße“) für die eine Energie die alles belebt. Diese Energie ist der Ursprung von allem. Und alles was erscheint („in“ der äußeren Welt) ist nur eine Ausdrucksform dieser Energie.

Sie ergießt sich „in“ alles, erfüllt alles.

So gesehen sind alle „Erscheinungen“ nur Illusion. Möglicherweise haben die alten Mayas das gemeint wenn sie „die Welt“ als bloße Illusion bezeichnen.

Ich möchte aus der Welt einen besseren Ort machen. Weil ich mit dem status quo unzufrieden bin? Gibt es möglicherweise noch andere Gründe für mein „Helfersyndrom“? Irgendwie vermute ich, dass dieser Impuls bei vielen von uns vorhanden ist, wissen kann ich es nicht, freilich nicht.

Jeder der diese Zeilen liest kann sich ja gerade mal selbstkritisch hinterfragen und prüfen ob dieser „Helfer“ auch „in ihr/ihm“ vorhanden ist.

Repräsentiert dieser Impuls vielleicht das „wachsen wollen“/„expandieren wollen“ dieser allumfassenden Lebensenergie?

Gerade frage ich mich, warum ich mir überhaupt über solche Dinge Gedanken mache.

Irgendwie wird das Leben für mich lebenswerter wenn ich Antworten finde. Ist es verwerflich Antworten finden zu wollen? Neugierig zu sein? Verstehen zu wollen wie die Dinge funktionieren?!?…

…Ich bin Bewusstsein…

Geistig habe ich gerade eine gute Phase, bin voller Tatendrang. Ich habe endlich angefangen unsere Vereinshomepage online zu stellen. Ein weiterer Schritt. Ich freue mich auf die Arbeit mit dem Verein, ich bin gespannt was daraus wird. Ob dieser Samen auf fruchtbaren Boden fällt, ob die Zeit schon dafür reif ist…

Körperlich geht es mir nicht ganz so gut. Ich beginne den Tumor zu spüren, physisch. Das muss nicht unbedingt heißen, dass der Tumor wächst, möglicherweise wächst auch nur mein Bewusstsein. Anders ausgedrückt, denn ich BIN Bewusstsein (und eben auch Unbewusstsein), es findet eine Verschiebung von Unbewusstsein zu Bewusstsein statt.

Wie auch immer, auf jeden Fall werden aus den Beschwerden hin und wieder Schmerzen.

Konditionell bin ich jedoch gut drauf, trotz allem. Deswegen werde ich jetzt auch noch eine Runde spazieren gehen 😉