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Chemotagebuch – Tag 401 – 14.06.2017

Ich befinde mich mal wieder in der Klinik. Mein Zeitgefühl hat mich zwar zwischenzeitlich komplett verlassen, aber über eine Woche bin ich sicher schon hier…

Ich hatte einen üblen Zusammenbruch. Kreislauf schwach, plötzlicher Schweißausbruch, gefühlte Liter, kalter Schweiß… Zittern am ganzen Körper…. Kälte… Kurzer, schneller Atem…

Ich dachte: „Jetzt ist es soweit. Ich will nicht sterben. Ich will noch nicht sterben!“

Als der Notarzt eintraf hatte meine Frau mich mit konzentriertem Atmen schon wieder etwas beruhigt. Im Krankenhaus konnte ich dann noch weiter stabilisiert werden.

Nach wenigen Tagen im Krankenhaus der nächste Zusammenbruch. Obwohl in „geschützter Umgebung“ (Palliativstation) geschehen, ganz üble Szenen die sich da eingebrannt haben.

Und wieder habe ich gedacht: „Jetzt ist es soweit. Ich will noch nicht sterben!“

Ich lebe noch. Mein Zustand hat sich in den letzten Tagen soweit stabilisiert. Dennoch bleibt die Angst vor einem weiteren Zusammenbruch.

Es kann jederzeit soweit sein, und es kann auch jederzeit der letzte Shock sein den ich verkrafte…

Auch wenn mein Zustand derzeit stabil ist, gibt es keinen Grund zum jubeln.
Der Tumor ist in den 12-Finger-Darm hinein gewachsen. Auch die Bauchspeicheldrüse ist nicht mehr in Sicherheit.
Es blutet diffus in meinen Magen. Die Blutung kann nicht dauerhaft gestoppt werden.
Früher oder später kommt es erneut zu einem Shock (Kreislaufzusammenbruch).

Wir haben uns in dieser Woche 2 Hospize angesehen, heute vormittag erst waren wir in Handorf.

Ist natürlich ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man nicht mehr nach Hause zurück kehrt. Zu wissen, dass das Hospiz nun mein neues Zuhause ist…

Aber so richtig ist diese Wahrheit bei mir noch nicht angekommen, das wird wohl auch noch ein bisschen dauern. Das sind einfach die Umstände. Viel zu heftig, als das man das irgendwie auch nur annähernd in Worte fassen könnte.

Die letzten Tage waren für alle Beteiligten der Wahnsinn. Und zwar im Positiven als auch im Negativen.

Es kann jederzeit wieder soweit sein… Ausgang ungewiss… Wie geht man damit um? Wie gehe ich damit um? Wie soll meine Frau damit umgehen?

Eine Patentantwort gibt es sicherlich nicht. Ich sehe nun jeden Tag für sich. Tag für Tag.

Nun heißt es auf einen Hospizplatz warten…

Tja, und dann…?!? Irgendwie das Beste draus machen, so abgedroschen es klingt. Kopf heben, Dreck abklopfen, weiter laufen…

Sich einerseits mit dem nahen Tod anzufreunden und andererseits sich ein Fünkchen Hoffnung zu bewahren, das ist jetzt die Prämisse.

Chemotagebuch – Tag 361 – 04.05.2017

Es gibt so Momente der Klarheit. Diese Momente sind nicht immer unbedingt (erstmal) angenehm…

Hinter der Fassade des „Schönredens“ und „Positivdenkens“ verbirgt sich die Wahrheit. Will heißen, dass was wirklich IST unabhängig davon was ich oder sonstiger davon hält.

Einfach nur die nackte Wahrheit, ob ich sie nun wahrhaben will oder nicht.

Und manchmal passiert es nun, dass diese Wahrheit die Fassade des Glaubens durchdringt und sich zeigt…

Klingt jetzt alles ziemlich dramatisch irgendwie, dabei sehe ich es eher pragmatisch.

Schlussendlich kommen die Dinge sowieso wie sie kommen sollen, daran kann niemand etwas ändern. Du kannst Dir in den Kopf setzen reich zu werden, wenn das in Deinem Lebensplan nicht vorgesehen ist, wirst Du immer und immer wieder scheitern…

Die Schulmedizin sagt mir, dass die angewendete Chemotherapie ausdrücklich nicht dazu „geeignet“ ist (d.h. man geht nicht davon aus) mich gesund zu machen.

Sie dient ausschließlich der Erhaltung des „Status Quo“ was in sich auch schon irgendwie ein Witz ist (ich mein wir reden hier von Zytostatika und nicht von Aspirin, das Zeug ist krebserregend, Erbgut verändernd und kann unfruchtbar machen,… Und damit will die Schulmedizin des „Status Quo“ erhalten… Sagen Dir die Ärzte eiskalt ins Gesicht…)…

Und nicht nur, dass die etablierte Medizin mich nicht heilen kann ist es auch noch so, dass ich ja seit geraumer Zeit schon künstlich am Leben erhalten werde. Denn Tatsache ist, wenn ich meine Flüssignahrung mal ein paar Tage nicht bekomme, geht es steil bergab… Bei meinen derzeit knapp 60 Kilo wird es nicht lange dauern bis die ersten Organe versagen wenn keine Energie geliefert wird.

Dennoch bin ich irgendwie optimistisch lebend aus dieser Geschichte heraus zu gehen. Woher kommt dieser Optimismus? Ist das reiner Selbsterhaltungstrieb?

Oder gibt es belastbare Fakten die diesen Optimismus begründen? *grübel*

Ich werde mal in mich gehen und ein bisschen drauf rumdenken…

Chemotagebuch – Tag 11 – 02.06.2016

Heut ist ein „guter“ Tag. Mir geht es sehr gut, körperlich als auch mental. Ich habe einen langen Spaziergang gemacht, zwar mit mehreren Pausen, aber im Großen und Ganzen recht flüssig.

Die körperlichen „Beschwerden“ halten sich heut auch in Grenzen.

Auch mental bin ich heut echt gut drauf. Voller Tatendrang, Optimismus und fast sogar schon Lebensfreude…

Dies halte ich fest, da die letzten Einträge ja sehr nachdenklich und eher pessimistisch klingen.

Wenn ich später diese Einträge wieder lese, möchte ich mich daran erinnern, dass es auch gute Tage gibt.

Die guten Tage vergisst man ja meist recht schnell.