Chemotagebuch – Tag 332 – 05.04.2017

Nicht mehr lange und das Jahr ist voll.

Am 23.05.2016 hatte ich meine erste „Sitzung“… Wie schnell die Zeit vergeht.

Die letzten Tage geht es mir soweit sehr gut. Zwar ist mein Schlafrythmus immer noch für die Katz aber die Schmerzen lassen nach. Ich brauche wieder weniger Boli und ich habe wieder Phasen dabei wo ich tatsächlich völlig schmerzfrei bin…

Im nächsten Step möchte ich gern die kontinuierliche Morphin-Rate wieder reduzieren.

Von den Schmerzen abgesehen habe ich seit der Vitamin-D-Gabe auch wieder mehr Kraft für diverse Aktivitäten. Das hat ja direkt nach 2 Tagen eingesetzt und hält tatsächlich bis heute an.

Das ständige gluckern und glucksen, rumoren, die Bewegungen in meinem Unterbauch, das alles begleitet mich nach wie vor. Mal mehr mal weniger…

Mein Antrag auf Kostenübernahme für medizinisches Cannabis wurde abgelehnt. Toll, klasse, prima!

So wie es aussieht hat mein Arzt den erforderlichen Fragebogen nicht vollständig und korrekt ausgefüllt. So ganz genau bin ich noch nicht dahinter gestiegen was jetzt die wirklichen Gründe sind.

Wenn ich so drüber nachdenke… Da ist ganz schön viel zusammengekommen und schief gelaufen. Briefe wurden nicht zugestellt, Rückrufe wurden nicht getätigt, E-Mails wurden nicht gelesen, Inhalte wurden nicht verstanden…

Wie dem auch sei, es gibt Plan B.

Diesbezüglich war heut meine Ansprechpartnerin vom Palliativnetz zu Besuch und wir sind die weitere Vorgehensweise durchgegangen.

Nun gut. Aufstehen, Dreck abklopfen, weiterlaufen… Es bleibt spannend…

Obwohl es mir im Moment echt gut geht habe ich manchmal völlig grundlose depressive Verstimmungen.

Von jetzt auf gleich zweifle ich an Allem. Von jetzt auf gleich erscheint mir alles so sinnlos. Von jetzt auf gleich verliere ich die Lust auf jegliche Unternehmung.

Und während ich diese Zeilen schreibe, wird mir wieder mal bewusst, wie wichtig es ist, auch diese Gefühle zuzulassen und zu durchleben. Zu durchfühlen… Den Zweifel. Die Sinnlosigkeit. Die Lustlosigkeit.

Je mehr ich mich davon abnerven lasse, desto machtloser/ohnmächtiger fühle ich mich.

Um also die Macht wieder zu erlangen, gebe ich den unliebsamen Erscheinungen ihren Raum. Klingt irgendwie paradox und dennoch plausibel…

Verrückte Welt 🙂

Chemotagebuch – Tag 126 – 25.09.2016

In den letzten Tagen ist es mir richtig elend. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass ich mich derzeit an einem neuen Tiefpunkt befinde.

Die Schmerzen nehmen zu, die Übelkeit macht mir sehr zu schaffen, ich verliere weiter Gewicht und entsprechend fehlt mir auch einfach viel Kraft.

Auch mental ist es eher so ein „dahinvegitieren“, kann gut sein dass ich mich da wiederhole. Es ist ja Teil dieses „Experiments“ (damit meine ich diesen Chemo-Tagebuch-Blog) dass ich es fließen lasse. Das was gerade da ist.

Ich will dann dieses Sammelsurium an Gedanken in einem Rutsch lesen, da bin ich gespannt drauf…

Das wirklich „Schlimme“ an meiner momentanen Situation ist die Hilflosigkeit mit der ich dieser ganzen Scheiße gegenübertrete. Ich weiß nicht was ich machen soll. Mir fehlt einfach die Kraft und die Motivation für alles gerade.

Was also tun? Es einfach aussitzen und hoffen dass es von allein wieder besser wird?!? Mir noch mehr Medikamente (egal ob nun pflanzlich oder chemisch) einwerfen?!?

Ich weiß es eben einfach nicht.

Nach der Phase der Wut, des Zorns und der Aggressionen befinde ich mich nun im tiefen Tal der Ohnmacht, der Traurigkeit und der Hilflosigkeit. „Depression“ ging mir mehrfach in den letzten Tagen durch den Kopf. Wobei das ja im Sinne des Wortes etwas sehr positives ist.

Denn ebenso wie bei der Ent-Täuschung, bei der die Täuschung entfernt wird, wird ja bei der De-Pression auch etwas entfernt. Nämlich der Druck (engl. pressure).

Ist es also Ohnmacht und Traurigkeit die übrig bleibt wenn der Druck weg ist? oder ist das nur eine Illusion, ein… sagen wir „ungünstiger Betrachtungswinkel“ auf die Situation.

Vielleicht ist das was sich wie Ohnmacht (ohne Macht sein) anfühlt in Wirklichkeit auch Erleichterung. Vielleicht hindert mich meine (Verlust-)Angst daran es so wahrzunehmen. Die Angst davor etwas wichtiges zu verlieren.

Etwas, von dem ich dachte/denke dass es zu mir gehört.

Es wird sich zeigen. Auch diese Phase will und wird gemeistert werden und ich werde wissen was es bedeuten soll.

Bis dahin übe ich mich in Dankbarkeit für das was wir (meine Familie und ich) bisher schon erreicht haben. Für all das was gut läuft, denn es gibt ja nach wie vor sehr positive Aspekte in meinem Leben.

Und ich lausche in mich hinein und suche die Stille…

Wer bin ich?