Chemotagebuch – Tag 168 – 06.11.2016

Der 14. Tag in der Raphaelsklinik und ich muss sagen ich komme immer mehr zu Kräften.

So hart es also für mich und die Familie ist, dass wir uns nicht sehen, so dringend notwendig war scheinbar die Ruhe und intensive Betreuung die mir hier zuteil wird.

Und an dieser Stelle möchte ich es auch nicht verpassen, die Raphaelsklinik in den höchsten Tönen zu loben.

Ich habe ja nun schon viel erlebt, habe durch meine Erkrankung einiges an Krankenhauserfahrungen sammeln können und ich muss echt sagen, dass ich mich noch nie so gut rundum betreut gefühlt habe wie hier in Münster.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind allesamt motiviert und freundlich. Nehmen sich Zeit und kümmern sich. Angefangen beim Arzt (egal welcher), über die Stationsschwestern, das Reinigungspersonal bis hin zum Pförtner.

Das habe ich so in der Form noch nicht erlebt.

Selbstverständlich passieren hier auch Fehler und die ein oder andere Sache ist etwas suboptimal gelaufen (die Aufnahme beispielsweise), das Gesamtbild passt allerdings.

Und es ist einfach mal enorm wichtig, dass man sich wohl fühlt. Und ich fühle mich tatsächlich wohl (soweit man sich in einem Krankenhaus wohl fühlen kann…).

Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass es mir heute schon viel besser geht als vor 2 Wochen wo ich eingeliefert worden bin. Dafür bin ich dankbar.

Und ich schöpfe daraus neue Zuversicht, dass es nun endlich auch mal wieder bergauf geht.

Für die kommende Woche habe ich beim Physiotherapeuten schon angemeldet, dass ich mal in den Fitnessraum will, so motiviert bin ich mittlerweile. Und ich traue mir das auch von der Kraft/Ausdauer her zu, wenigstens ein paar Minuten mich etwas zu betätigen.

Ich habe ja extrem abgebaut, bin nur noch Haut und Knochen. Echt gruselig sich selbst so zu sehen.

So abgemagert dass ich beinahe jede Sehne und jeden Muskel in meinem Körper sehen kann…

Auch mental tut mir die Ruhe echt gut, ich habe sogar die Tage wieder ein bisschen gelesen (trotz leicht vernebelter Sinne, das Morphin drückt doch zuweilen ganz schön auf den Kürbis, das darf man nicht unterschätzen) und sogar ein paar Augenblicke „meditiert“.

Meditieren ist so ein großes (geflügeltes) Wort, dabei bedeutet es im Grunde nichts weiter als in die eigene Ruhe zu kommen. Dafür gibt es verschiedene Methoden und Techniken.

Ich habe ein wenig bedenken, dass wenn ich von meiner Technik hier berichte, dass ich dann wieder damit aufhöre es durchzuführen.

Das ist so ein Phänomen bei mir. Wenn ich irgendetwas mache und anderen dann (meist voller Stolz) davon berichte, höre ich kurze Zeit später meist wieder damit auf.

Ich habe keine Ahnung woran das liegt, aber es ist fast jedes Mal das Gleiche.

Und dennoch kann ich es einfach nicht lassen, darüber zu sprechen…

Irgendwann werde ich diesen Sachverhalt durchbrechen und einfach mein Ding durchziehen. Ganz egal wer an mich glaubt. Ich glaube an mich, das ist das einzige was wirklich zählt.

Chemotagebuch – Tag 166 – 04.11.2016

Tag 12 in der Raphaelsklinik und nun ist es also doch soweit, ich werde im wahrsten Sinne des Wortes mit Morphin vollgepumpt.

Achtung Wortwitz! 😮

Spaß beiseite. Ich wurde nun umgestellt, statt Morphinpflaster und Spritzen bei Bedarf hänge ich nun an einer Schmerzpumpe, oder die Schmerzpumpe hängt an mir, je nach Perspektive…

Ich bekomme das Morphin nun direkt über den Port in die Venen getröpfelt, gepumpt…

Das funktioniert soweit echt gut. Es wird eine permanente Menge über den Tag verteilt abgegeben und bei Bedarf kann ich selber noch eine extra Portion Schmerzfreiheit anfordern, per Knopfdruck.

Nebenwirkungen des Morphins sind allerdings auch vorhanden, klar. Wir reden hier ja nicht von Aspirin. Beispielsweise kribbeln die Finger- und Fußspitzen leicht. Ich bin müder als sonst, Auto fahren würde ich mir in meinem momentanen Zustand eher verkneifen.

Ansonsten geht es mir den Umständen entsprechen,… gut. Ja, ich würde tatsächlich sagen mir geht es soweit gut.

Durch die Schmerzpumpe Bin ich das erste mal seit langer Zeit über einen längeren Zeitraum beinahe völlig schmerzfrei.

Wenn ich jetzt noch 10-20 kg Gewicht zulege ist alles topp!

Das ist auch unsere Zielsetzung hier. Und ich muss meine Aussage von vor ein paar Tagen etwas korrigieren. Denn hier auf der Palliativstation wurde ich tatsächlich nach meinen Zielen gefragt, respektive was ich mir von dem Aufenthalt hier erhoffe. Das ist stark.

Zielsetzung ist Schmerzfreiheit und Gewichtszunahme. Und wir sind auf einem guten Weg.

Chemotagebuch – Tag 163 – 01.11.2016

Was ist hier eigentlich los?

Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit häufiger. In Verbindung mit den verschiedensten Zusammenhängen. Was sind das nur für Zeiten in denen wir leben?

Geprägt von Gewalt, Hass, Lügen, Intrigen, Leid und Krankheit. Was sind das nur für Zeiten?

Viele Menschen werden an den Rand ihrer körperlichen und/oder geistigen Grenzen geführt. Einige drehen einfach durch. Andere werden drogenabhängig. Wieder andere brechen einfach zusammen (Burn-out, Depressionen). Es mag noch unzählige weitere Möglichkeiten geben wie Menschen mit ihren Krisen umgehen. Tatsache ist jedenfalls, dass die Zusammenbrüche sich häufen. Krebs ist eines der offensichtlichsten Symptome des immer größer werdenden Stresses der uns alle überrollt.

Um so wichtiger, gerade in solchen Zeiten, ist es sich kleine „Oasen“ in seinem Leben zu erschaffen. Das kann alles mögliche sein. Ein Bild. Eine Idee. Ein bestimmter Tee. Ein Ritual. Eine Idee. Ein Ideal! Eben kleine Oasen, die einem immer wieder Kraft geben. Es liegt in unserer Verantwortung uns diese Oasen selber zu erschaffen.

Leider wurde den meisten von nicht beigebracht wie wir das machen sollen. Geschweige denn dass es überhaupt  möglich ist.

Die Möglichkeit Kraft aus sich selbst heraus zu schöpfen ist so unendlich wertvoll und genauso tabu scheint dieses Thema in der herkömmlichen Erziehung zu sein. Deswegen verwundert es nicht, dass hier entsprechende Erfahrungen und vor allem Bewusstheit fehlt.

Denn ich bin überzeugt, dass jeder Mensch diese Möglichkeit unbewusst bereits einsetzt. Im Grunde handelt es sich dabei um ein Lebensprinzip das alles und jeden durchdringt. Nur der Grad der Bewusstheit variiert eben sehr stark.

Ich befinde mich derzeit immer noch in der Raphaelsklinik, jetzt mittlerweile den 9. Tag.

Den Rest dieser Woche werde ich wohl auch noch hier verbringen, eventuell kann ich das Wochenende wieder gemeinsam mit meiner Familie verbringen.

Meine Familie bietet mir unzählige dieser kleinen Oasen aus denen ich meine Kraft schöpfe.

Was hat mir der Aufenthalt hier gebracht? Nunja, verschiedenes. Auf keinen Fall betrachte ich dies hier als vergeudete Zeit. Denn traurige Wahrheit ist leider, dass ich in meinem aktuellen Zustand zuhause ohnehin keine große Hilfe bin. Weder bei der Haushaltsführung noch bei der Kinderbetreuung bin ich derzeit eine Unterstützung

Insofern habe ich in den vergangenen Tagen die Ruhe auch mehr oder weniger ohne schlechtes Gewissen nutzen können. Ich habe wieder ein wenig an Gewicht zugelegt und bin wieder etwas zu Kräften gekommen. So zu Kräften, dass auch wieder regelmäßige Spaziergänge mit dem Hund möglich sein sollten. Und ich hoffe wieder mehr am Familienleben teilhaben zu können.

Dazu wurde meine Schmerztherapie etwas verändert, optimiert wenn man so möchte.

Vermutlich wurde das Schmerzmittel in Tablettenform nicht vernünftig resorbiert. Das wiederum hängt sehr wahrscheinlich mit der Entzündung zusammen die die Chemotherapie in meinem Darm verursacht hat. Das ist zwar durchaus so gewollt, da das so aktivierte Immunsystem dem Tumor auf die Pelle rücken soll. Allerdings macht das bei mir eben auch extrem starke Schmerzen…

Chemotagebuch – Tag 160 – 29.10.2016

Der Eintrag von gestern sollte so eigentlich nicht beendet werden. Doch es kommt natürlich hin und wieder vor, dass in einem Krankenhaus (ich würde es lieber Gesundheitshaus nennen, denn ich will ja gesund werden!) Untersuchungen gemacht werden.

Und so war es auch gestern. Es standen Darm- und Magenspiegelung an. Ergebnis bisher  offen.

Am Montag soll „mein Fall“ in der Tumorkonferenz besprochen werden.

Da stecken die Fachärzte aus den verschiedenen Resorts die Köpfe zusammen und beratschlagen wie es mit mir nun weiter gehen soll.

Allerdings fehlt bei diesem Meeting eine ganz wichtige Person, deswegen bin ich gespannt was dabei raus kommen soll.

Wer da fehlt? Ja, ich natürlich! Mich hat zu meiner eigenen Tumorkonferenz niemand eingeladen. Kurios, nicht wahr? Es bestätigt meine Erfahrung, dass die meisten Mediziner kein Interesse für die Meinung des Patienten haben.

Viel zu selten werde ich gefragt was ich denke. Was ich möchte. Was ich mir vorstelle…

Dafür ist zu wenig Raum, meiner Meinung nach.

Wobei ich auch mal ehrlich sagen muss, dass ich mich bisher hier ganz gut aufgehoben fühle.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind allesamt nett, freundlich, gut gelaunt, motiviert…

Das passt alles und ist heutzutage leider keine Selbstverständlichkeit mehr…

Ja ansonsten…

Ich hoffe mal, dass ich die Talsohle nun durchschritten habe. Bin jetzt bei 53kg angekommen, das sind immerhin mal 34 Kilo weniger als noch vor einem Jahr, vor OP Nummer 2 und 3.

Eventuell werde ich jetzt dann auch erstmal die Notleine ziehen und die Chemo pausieren.

Denn für mich steht fest, die derzeitigen starken Schmerzen kommen definitiv von den toxischen Medikamenten.

Nicht direkt zwar… Die Medikamente bewirken allerdings, dass sich extrem viele Gase in meinen Därmen bilden. Und durch diesen Druck werden wohl die Schmerzen ausgelöst.

Um meine Vermutung etwas genauer auszuführen: in Verbindung mit Nahrung (ob flüssig oder fest) bilden sich diese Gase. Denn wenn ich nichts zu mir nehme, habe ich auch keine Schmerzen…

Sollte ich mich also schonmal mit dem Gedanken anfreunden den Rest meines Lebens künstlich ernährt zu werden? Auf den Genuss eines guten Essens verzichten? Nun…. Wenn ich dafür schmerzfrei sein kann… Wer weiß…

Denn eines ist für mich sicher, dauerhaft Schmerzen machen mich mürbe. Es ist derart kräftezehrend… Da kann von guter Lebensqualität jedenfalls auch keine Rede sein.

Aber warten wir erstmal ab was die Expertenrunde am Montag eruiert.

Chemotagebuch – Tag 159 – 28.10.2016

Es ist mal wieder Zeit für einen Eintrag. Es ist ja auch schon wieder einige Zeit ins Land gegangen seit dem letzten Eintrag.

Und es passiert auch so einiges. Ich frage mich hin und wieder zwischendurch, was von dem was ich so erlebe und erfahre ich hier einfließen lassen soll…

Was ist wirklich relevant.

Nun, im Moment befinde ich mich jedenfalls (mal wieder) in einem Krankenhaus. Diesmal in der Raphaelsklinik hier in Münster.

Grund für meinen Aufenthalt hier sind die immer stärker werdenden Schmerzen. Das kann so nicht weiter gehen. Es kann ja nicht die Lösung sein, dass ich einfach immer weiter meine Schmerzmedikation erhöhe. Ich will wissen wo die Schmerzen her kommen.

Einige Untersuchungen sind nun schon gelaufen, jetzt gleich folgen weitere. Am Ende stehen hoffentlich neue Erkenntnisse. Auch hierüber werde ich entsprechend einen Eintrag verfassen.