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Tropf,.... Tropf,...

Chemotagebuch – Tag 229 – 23.12.2016

Die letzten Tage ging es mir richtig beschissen. Für mich ist nicht ganz klar woran das lag.

ich habe leicht erhöhte Temperatur, bin entsprechend häufig am frieren. Völlig kraftlos. Wenn ich Glück habe kommen noch sanfte bis mittelstarke Kopfschmerzen dabei.

Meine Nerven sind gespannt wie Drahtseile… Ich fühle mich unwohl, nein, elend.

Es gab die letzten Tage Phasen da ging es mir richtiggehend elend.

Das Ganze ist ziemlich paradox, da ich im Großen und Ganzen ja gute Fortschritte mache, was meine selbst gesteckten Ziele angeht.

Mein Gewicht stabilisiert sich und ich habe die Tage jetzt meine dauerhafte Morphinrate von 0,5 mg/h auf 0,4 mg/h gesenkt.

Schmerzen habe ich seit Tagen, ja vielleicht sogar seit Wochen (ich kann es nicht sagen, ohne den Kalender zu konsultieren, mein Zeitgefühl ist völlig hinüber) kaum noch. Schmerzen sind derzeit nicht mein Problem.

Derzeit ist der Kreislauf mein „Hauptproblem“. Verschiedene Blutwerte sind derart im Keller, dass mir jetzt schon mehrfach eine Bluttransfusion ans Herz gelegt wurde. Allerdings habe ich damit meine liebe Not. Der Gedanke daran, fremdes Blut in meinen Adern zu haben ist nicht nur befremdlich sondern beinahe schon unheimlich. Dabei kann ich nichtmal genau sagen warum, zumal das Zeug was einem dann in die Adern läuft mehrfach gereinigt und gefiltert ist. Dennoch können mit einer Bluttransfusion auch Krankheiten übertragen werden. Aber auch das ist es nicht was mich „stört“ oder mir Sorgen bereitet.

Beim Thema Blut geht das irgendwie „tiefer“. Für mich ist Blut etwas „heiliges“, der Lebenssaft der uns am Leben hält und das Herz zum Leben erweckt. Da es sich um eine Flüssigkeit handelt sind in Fremdblut neben den direkt nachweisbaren Bestandteilen (rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen, etc.pp.) allerdings auch diverse Informationen über den Vorbesitzer gespeichert. Möglicherweise sogar Fragmente seiner Persönlichkeitsstruktur, seiner Ängste, Nöte und Sorgen… Wer weiß es genau?!?

Da ich an die Existenz vieler verschiedener Ebenen glaube, Ebenen aus denen unsere „Wirklichkeit“ besteht, bin ich überzeugt davon, dass bei einer Bluttransfusion mehr geschieht als die reine Weitergabe von Blut. Deswegen fühlt sich das für mich nicht richtig an.

Jedenfalls nicht, wenn mein Leben nicht unmittelbar bedroht wird. Und das ist ja nicht der Fall derzeit. Jedenfalls sind die Ärzte ziemlich entspannt und es hat noch niemand gesagt, wenn ich das Fremdblut nicht nehme, sterbe ich…

Nun versuche ich auf eigene Faust irgendwie meine diversen Defizite in den Griff zu kriegen. Jetzt gerade sitze ich in der ambulanten Praxis des Maria-Josef-Hospitals in Greven und bekomme meine 2. Ration Eisen verabreicht, mein Eisenwert ist völlig im Keller.

Letzten Freitag hatte ich die erste Ration. Die ganze letzte Woche ging es mir ziemlich dreckig… Gibt es da einen Zusammenhang? So genau weiß es mal wieder niemand.

Seit ca. 2 Wochen (glaub ich) nehme ich noch verschiedene Nahrungsergänzungsmittel.

Auch eine seltsame Entwicklung, da ich davon lange Zeit überhaupt nichts gehalten habe. Reine Geldmacherei war lange Zeit meine Ansicht. Und in der Tat gibt es nicht wenige Konsumenten die sich pro Tag 10 verschiedene Präparate (und teilweise sogar noch erheblich mehr) einschmeißen…

Da ein gesundes Maß zu finden scheint also nicht so einfach zu sein.

Wie auch immer, ich habe es jedenfalls gewagt mich in den Sumpf der Vitaminpräparatmafia zu begeben und nehme seit ein paar Tagen ein starkes Antioxidans (OCP glaube ich, Traubenkernextrakt oder so) und Vitamin D3 in Kombination mit Vitamin K2.

Ich habe mich die letzten Tage und Wochen ein bisschen mit diesem Thema beschäftigt und bin darauf gestoßen, dass die Symptome eines D3-Mangels denen der „Fatigue“ sehr stark ähneln. Fatigue ist ja die chronische Krebsmüdigkeit.

Also dachte ich mir ich lasse es auf einen Versuch ankommen meinen D3-Speicher mal aufzufüllen.

Die Schulmedizin behauptet dass ein Erwachsener pro Tag ca. 1.000 i.E. (internationale Einheiten) verbraucht.

Im Netz kann man wieder mal völlig andere Dinge nachlesen, also auf auf in den Selbstversuch. Derzeit lutsche ich erstmal ganz sachte jeden Tag so 5-8 von den 1.000er Tabletten.

Nun kann es natürlich sein, dass diese geringe Menge meinem Körper schon genügt um diverse Reparaturprozesse in Gang zu setzen. Dies wiederum könnte eine Ursache für die erhöhte Temperatur sein… Und wiedermal… Weiß es keiner…

Heute jedenfalls geht es mir schon erheblich besser als die letzten Tage. Ich hoffe sehr, dass ich dem entsprechenden Mangel bald auf die Schliche komme. Ich habe nämlich absolut keine Ahnung was mein „kleiner Kollege“ in der Zwischenzeit so getrieben hat. Hier wird erst das CT im Januar Aufschluss geben und natürlich bleibt die Hoffnung, dass der Tumor zumindestens nicht gewachsen ist. Das wäre für mich schonmal eine „gute“ Entwicklung, denn in diesem Fall würde ich vermutlich auch erstmal weiterhin auf die Chemo verzichten und mich weiterhin darauf konzentrieren meinen geschwächten Organismus wieder zu stärken.

Erspüren kann ich da nichts. Allerdings ist meine momentane Verfassung möglicherweise eher ein Hinweis darauf, dass der Tumor weiter wächst. Ich vermute das würde zumindest den Eisenmangel und die generelle Blutarmut erklären.

Dies wiederum würde bedeuten dass es ab Januar wieder mit Chemo weiter geht.

Das heißt, mein Zustand wird sich vermutlich innerhalb weniger Wochen wieder dramatisch verschlechtern…

Wilde Spekulationen 😉

Jetzt steht erstmal das Weihnachtsfest vor der Tür. Wir bekommen Besuch auf den ich mich riesig freue. Es gibt leckeren Gänsebraten (Premiere für mich, ich habe noch nie eine Gans veredelt), es wird eine schöne und besinnliche Zeit werden.

Am 24.12. beginnt auch die Zeit der Rauhnächte, eine besondere Zeit des Jahreswechsels in der es darum geht das Alte loszulassen und sich dem neuen Jahr zu öffnen.

Ich will versuchen so oft es geht daran zu denken und diese Zeitqualität entsprechend bewusst zu erleben.