Chemotagebuch – Tag 163 – 01.11.2016

Was ist hier eigentlich los?

Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit häufiger. In Verbindung mit den verschiedensten Zusammenhängen. Was sind das nur für Zeiten in denen wir leben?

Geprägt von Gewalt, Hass, Lügen, Intrigen, Leid und Krankheit. Was sind das nur für Zeiten?

Viele Menschen werden an den Rand ihrer körperlichen und/oder geistigen Grenzen geführt. Einige drehen einfach durch. Andere werden drogenabhängig. Wieder andere brechen einfach zusammen (Burn-out, Depressionen). Es mag noch unzählige weitere Möglichkeiten geben wie Menschen mit ihren Krisen umgehen. Tatsache ist jedenfalls, dass die Zusammenbrüche sich häufen. Krebs ist eines der offensichtlichsten Symptome des immer größer werdenden Stresses der uns alle überrollt.

Um so wichtiger, gerade in solchen Zeiten, ist es sich kleine „Oasen“ in seinem Leben zu erschaffen. Das kann alles mögliche sein. Ein Bild. Eine Idee. Ein bestimmter Tee. Ein Ritual. Eine Idee. Ein Ideal! Eben kleine Oasen, die einem immer wieder Kraft geben. Es liegt in unserer Verantwortung uns diese Oasen selber zu erschaffen.

Leider wurde den meisten von nicht beigebracht wie wir das machen sollen. Geschweige denn dass es überhaupt  möglich ist.

Die Möglichkeit Kraft aus sich selbst heraus zu schöpfen ist so unendlich wertvoll und genauso tabu scheint dieses Thema in der herkömmlichen Erziehung zu sein. Deswegen verwundert es nicht, dass hier entsprechende Erfahrungen und vor allem Bewusstheit fehlt.

Denn ich bin überzeugt, dass jeder Mensch diese Möglichkeit unbewusst bereits einsetzt. Im Grunde handelt es sich dabei um ein Lebensprinzip das alles und jeden durchdringt. Nur der Grad der Bewusstheit variiert eben sehr stark.

Ich befinde mich derzeit immer noch in der Raphaelsklinik, jetzt mittlerweile den 9. Tag.

Den Rest dieser Woche werde ich wohl auch noch hier verbringen, eventuell kann ich das Wochenende wieder gemeinsam mit meiner Familie verbringen.

Meine Familie bietet mir unzählige dieser kleinen Oasen aus denen ich meine Kraft schöpfe.

Was hat mir der Aufenthalt hier gebracht? Nunja, verschiedenes. Auf keinen Fall betrachte ich dies hier als vergeudete Zeit. Denn traurige Wahrheit ist leider, dass ich in meinem aktuellen Zustand zuhause ohnehin keine große Hilfe bin. Weder bei der Haushaltsführung noch bei der Kinderbetreuung bin ich derzeit eine Unterstützung

Insofern habe ich in den vergangenen Tagen die Ruhe auch mehr oder weniger ohne schlechtes Gewissen nutzen können. Ich habe wieder ein wenig an Gewicht zugelegt und bin wieder etwas zu Kräften gekommen. So zu Kräften, dass auch wieder regelmäßige Spaziergänge mit dem Hund möglich sein sollten. Und ich hoffe wieder mehr am Familienleben teilhaben zu können.

Dazu wurde meine Schmerztherapie etwas verändert, optimiert wenn man so möchte.

Vermutlich wurde das Schmerzmittel in Tablettenform nicht vernünftig resorbiert. Das wiederum hängt sehr wahrscheinlich mit der Entzündung zusammen die die Chemotherapie in meinem Darm verursacht hat. Das ist zwar durchaus so gewollt, da das so aktivierte Immunsystem dem Tumor auf die Pelle rücken soll. Allerdings macht das bei mir eben auch extrem starke Schmerzen…

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