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Chemotagebuch – Tag 254 – 17.01.2017

Gestern hat Chemo-Runde 2 für mich begonnen. Da wir aus logistischen Gründen den Onkologen gewechselt haben muss ich nun nicht mehr nach Münster zum vergiften, sondern nach Greven.

Im Rahmen der neuen Therapie wird nun auch nicht mehr alle 14 Tage, sondern direkt jede Woche zugeschlagen. Ich bin gespannt was es bringt und wie es verläuft.

In ca. 2 Monaten will sich der Fachmann neue CT-Bilder ansehen.

Tja, und sonst so?

Mir geht es immer noch ziemlich bescheiden. Das Leben fließt an mir vorbei… Ich bin müde, friere… Dann Wickel ich mich ein, deck mich zu, schlafe ein… Irgendwann wache ich dann schweißgebadet auf. Und wenn ich schreibe „schweißgebadet“ dann ist das absolut wörtlich gemeint!

So geht es Tag für Tag…

Nun, es mag sein, dass dieser ganze Vorgang an sich „gut“ ist, da der Körper sich quasi gesund schwitzt (der Körper entgiftet sich ja in dem Moment selbst), allerdings raubt es mir sämtliche Energie. Physisch als auch psychisch.

Ich bin auf jeden Fall guter Dinge, dass ich das vorherrschende Tief bald hinter mir gelassen haben werde.

Chemotagebuch – Tag 183 – 21.11.2016

Tag 183 – 21.11.2016

Seit ein paar Tagen bin ich nun wieder zuhause und was soll ich sagen, mir geht es soweit echt ganz gut.

Die Schmerzen habe ich mit der Schmerzpumpe ganz gut im Griff. Zwar muss ich mehr drücken als noch im Krankenhaus, aber ich glaube ich hätte sogar noch ein wenig Spielraum.
Denn ich darf mir auch nicht unendlich Morphin in die Venen jagen.

Es ist eine Grenze eingebaut. Maximal 4 „Bonbons“ pro Stunde, jeweils mit 10 Minuten Abstand.

Das ist allerdings nicht in Stein gemeißelt, selbstverständlich können sämtliche Parameter an der Pumpe verändert werden.

Neben der Schmerzpumpe bekomme ich ja auch noch andere Medis. Wobei ich da eher das Gefühl habe, dass die mich so nach und nach immer dümmer im Kopf machen.

Von den Schmerzen abgesehen baue ich nach wie vor jeden Tag minimal auf, was meine Kraft und Kondition betrifft. Alles in allem bin ich, sind wir, also sehr zuversichtlich was den weiteren Verlauf der Krankheit betrifft.

Aktueller Stand aus Sicht der Mediziner

Nach meinem Krankenhausaufenthalt auf der Palliativstation sind wir nun auch mit dem Palliativnetzwerk Emsdetten-Greven-Saerbeck verbunden.

Das ist unser „Rund-um-Ansprechpartner“ für alle Belange.

Ärzte, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter, Onko-Psychologen und andere (freiwillige) Helfer haben sich hier zusammengeschlossen um den Krebspatienten umfassend zu betreuen.

Was jedoch weder meiner Frau noch mir tatsächlich bewusst war, ist die Tatsache, dass „palliativ“ soviel heißt wie „dem sterben geweiht“.

Auf’s Sterbegleis geschoben. Die Heilung der Krankheit steht nicht mehr im Vordergrund (steht sie das bei Krebs überhaupt jemals in der Schulmedizin?!?).

Es geht einzig und allein darum, dem Dahinsiechenden die letzten Tage, Wochen und ggf. Monate so angenehm wie möglich zu gestalten.

Dabei wird „Palliativ“ abgeleitet vom lat. „palliatio“ was übersetzt so viel wie „Bemäntelung“ (besser vielleicht Ummantelung) bedeutet. (von einem Mantel eingehüllt)

Im Titelbild ist ein Ausschnitt des Palliativ-Netzwerk-Flyers zu sehen.
„Unterstützung am Lebensende“ wird da „geworben“…
Handelt es sich also um den Mantel des Todes, der den Erkrankten vor den mitleidigen Blicken der Anderen schützen soll? Damit er in Ruhe sterben kann…

Irgendwie haben wir da andere Pläne… Ich fühle mich nicht so als müsste ich gleich sterben. Und wenn ich so grübel… Bisher hat auch noch kein Arzt direkt zu mir gesagt ich müsse bald sterben.
Trauen die sich alle nicht?

Wie dem auch sei. Ich gebe mich auf jeden Fall nicht auf, Palliativdienst hin oder her.

Da die Schulmedizin mich sozusagen aufgegeben hat ist es umso wichtiger für mich, eigene Wege der Heilwerdung zu beschreiten.

Für mich handelt es sich also nicht um den Mantel des Todes sondern um eine Ummantelung des Lebens, wie ein Kokon der mich beschützt und mir die Ruhe und Geborgenheit bietet die ich zur Genesung brauche.

Deshalb bin ich gerade dabei, mich in eine neue Technologie einzuarbeiten die Heilung in Aussicht stellt.

Das Thema möchte ich zu diesem Zeitpunkt hier noch nicht öffentlich vertiefen, da ich Bedenken habe, die Forschungen könnten sich im Sande verlaufen wenn ich zu viel drüber spreche.

Also: nicht drüber sprechen und in einigen Tagen dann einfach Ergebnisse präsentieren 😉

Bis dahin beschäftige ich mich mit einem spannenden Buch zum Thema Kindererziehung in der Trotzphase. Auch wenn hier im Tagebuch nicht viel davon zu lesen ist, wir haben 2 Babys um die wir uns „nebenbei“ auch noch kümmern müssen…

Das läuft jedoch soweit, unsere Kinder sind gesund und munter, aufgeweckt und im Grunde pflegeleicht (wenn man das über Babys überhaupt sagen kann).

Der nächste „Non-Krebs-Artikel“ steht auch schon in den Startlöchern, ihr dürft also gespannt sein. Hoch-spannerndes Thema!

Vorbei schauen lohnt sich!

A/O

Chemotagebuch – Tag 178 – 16.11.2016

Entlassungstag.

Leider hat sich mein Zustand wieder etwas verschlechtert, was will mir mein Schicksal wohl damit sagen?

„Ha! Zu früh gefreut!“

Ich weiß es nicht. Tatsache ist jedoch, dass die Ärzte hier mit ihrem Latein erst einmal am Ende sind.

Ich habe jetzt einen Punkt erreicht an dem die weitere Maßnahme jeweils einzig darin besteht die Schmerzmitteldosis zu erhöhen. Gegen die Übelkeit kann man im Grunde auch nichts weiter machen, Magenschoner bekomme ich schon, Tabletten gegen Übelkeit helfen nicht.

Kraft- und konditionstechnisch sieht es sehr gut aus, da habe ich keinerlei Bedenken.

Was mach ich nun mit den Schmerzen? Wie soll es damit weiter gehen?

Eine befriedigende Lösung ist das auf Dauer mit der Schmerzpumpe sicher nicht, zumal man ja das Morphin auch nicht unbegrenzt erhöhen kann.

Ab jetzt kommt es vollkommen auf mich an. Die Ärzteschaft hat an dieser Stelle keine konkreten Pläne. Man gibt sich damit zufrieden die Schmerzen möglichst so zu reduzieren, dass ich beschwerdefrei bin.

Weiterhin bekomme ich nach wie vor Blutverdünner um die schlechte Durchblutung im Darm etwas  zu verbessern. Dazu gibt es wie gesagt 2x täglich den Magenschutz und 2x täglich gibt es noch ein weiteres Schmerzmedikament was sich hauptsächlich um Nervenschmerzen kümmern soll.

Ach ja… Fast vergessen… 3x täglich Novalgin gibt es auch noch.

Wohlgemerkt handelt es sich bei der eben aufgezählten Medikation ausschließlich um Medikamente die ich auf Grund der Nebenwirkungen der Chemo nehmen muss, das möchte ich an der Stelle mal ganz klar festhalten!

Um nicht weiter abzunehmen bekomme ich zu Hause dann auch weiterhin die Flüssigernährung über die Vene, auch diese Maßnahme ist weitestgehend der Tatsache geschuldet, dass ich durch die Nebenwirkungen der Chemo keine oder kaum Nahrung bei mir behalte.

Die Chemo selbst werde ich nun jedoch erstmal pausieren, ich glaube dass mein Körper jetzt gut eine Erholungsphase vertragen kann. Frühestens im Januar wird es dann mit der „Senfgas-Therapie“ weiter gehen. Jedenfalls nach heutigem Stand der Dinge.

Ende November wird es noch einmal Kontrolluntersuchungen geben (Magen-, Darmspiegelung) um zu sehen wie sich das 12-Fingerdarm-Geschwür und die Entzündung entwickelt hat.

Anfang Januar wird man per CT noch einmal  nachsehen was der Tumor in der Zwischenzeit so getrieben hat.

Ist er wieder gewachsen? Ist er auch ohne Chemo weiter geschrumpft? Hat sich vielleicht gar nichts getan? Von dem Ergebnis hängt natürlich auch ab, wie es mit der Chemotherapie weiter geht.

Alles in allem irgendwie keine wirklich zufriedenstellende Situation, rein äußerlich betrachtet.

Ganz so düster sehe ich es allerdings nicht.

Erst einmal freue ich mich riesig endlich wieder bei meiner Familie zu sein. Die 3,5 Wochen hier ohne Familie waren schon echt hart, aus dieser Perspektive betrachtet.

Ich habe in den vergangenen 3,5 Wochen mich gut entwickelt und ich fühle mich gut gewappnet.

Ich habe allerdings auch ganz klar erkannt, dass es nun auf mich ankommt. Ich bin nun dafür verantwortlich wie es weiter geht. Auf die Schulmediziner kann ich mich dabei nicht verlassen…

Es ist nun meine „Pflicht“ in die Selbstverantwortung zu gehen und mich persönlich um meine „Heilung“ zu kümmern.

Das mag sich für Dich jetzt erstmal ein bisschen konfus und geheimnisvoll anhören, allerdings habe ich einen Plan und ganz klare Ziele vor Augen.

Ich bin in der Kraft! Und aus dieser Position heraus wird sich alles weitere ergeben…

Chemotagebuch – Tag 168 – 06.11.2016

Der 14. Tag in der Raphaelsklinik und ich muss sagen ich komme immer mehr zu Kräften.

So hart es also für mich und die Familie ist, dass wir uns nicht sehen, so dringend notwendig war scheinbar die Ruhe und intensive Betreuung die mir hier zuteil wird.

Und an dieser Stelle möchte ich es auch nicht verpassen, die Raphaelsklinik in den höchsten Tönen zu loben.

Ich habe ja nun schon viel erlebt, habe durch meine Erkrankung einiges an Krankenhauserfahrungen sammeln können und ich muss echt sagen, dass ich mich noch nie so gut rundum betreut gefühlt habe wie hier in Münster.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind allesamt motiviert und freundlich. Nehmen sich Zeit und kümmern sich. Angefangen beim Arzt (egal welcher), über die Stationsschwestern, das Reinigungspersonal bis hin zum Pförtner.

Das habe ich so in der Form noch nicht erlebt.

Selbstverständlich passieren hier auch Fehler und die ein oder andere Sache ist etwas suboptimal gelaufen (die Aufnahme beispielsweise), das Gesamtbild passt allerdings.

Und es ist einfach mal enorm wichtig, dass man sich wohl fühlt. Und ich fühle mich tatsächlich wohl (soweit man sich in einem Krankenhaus wohl fühlen kann…).

Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass es mir heute schon viel besser geht als vor 2 Wochen wo ich eingeliefert worden bin. Dafür bin ich dankbar.

Und ich schöpfe daraus neue Zuversicht, dass es nun endlich auch mal wieder bergauf geht.

Für die kommende Woche habe ich beim Physiotherapeuten schon angemeldet, dass ich mal in den Fitnessraum will, so motiviert bin ich mittlerweile. Und ich traue mir das auch von der Kraft/Ausdauer her zu, wenigstens ein paar Minuten mich etwas zu betätigen.

Ich habe ja extrem abgebaut, bin nur noch Haut und Knochen. Echt gruselig sich selbst so zu sehen.

So abgemagert dass ich beinahe jede Sehne und jeden Muskel in meinem Körper sehen kann…

Auch mental tut mir die Ruhe echt gut, ich habe sogar die Tage wieder ein bisschen gelesen (trotz leicht vernebelter Sinne, das Morphin drückt doch zuweilen ganz schön auf den Kürbis, das darf man nicht unterschätzen) und sogar ein paar Augenblicke „meditiert“.

Meditieren ist so ein großes (geflügeltes) Wort, dabei bedeutet es im Grunde nichts weiter als in die eigene Ruhe zu kommen. Dafür gibt es verschiedene Methoden und Techniken.

Ich habe ein wenig bedenken, dass wenn ich von meiner Technik hier berichte, dass ich dann wieder damit aufhöre es durchzuführen.

Das ist so ein Phänomen bei mir. Wenn ich irgendetwas mache und anderen dann (meist voller Stolz) davon berichte, höre ich kurze Zeit später meist wieder damit auf.

Ich habe keine Ahnung woran das liegt, aber es ist fast jedes Mal das Gleiche.

Und dennoch kann ich es einfach nicht lassen, darüber zu sprechen…

Irgendwann werde ich diesen Sachverhalt durchbrechen und einfach mein Ding durchziehen. Ganz egal wer an mich glaubt. Ich glaube an mich, das ist das einzige was wirklich zählt.

Chemotagebuch – Tag 29 – 20.06.2016

Es ist mal wieder Zeit für ein paar Zeilen.

Die letzte Woche war einfach zu heftig für mich, irgendwie fehlte die Motivation für alles. Auch für dieses Tagebuch. Da ich selbst keine Anforderung habe an dieses „Projekt“ ist das auch völlig okay… Ich habe sogar Phasen dazwischen wo ich das alles in Zweifel ziehe. Wie sinnlos, diese Gedanken überhaupt aufzuschreiben.

Naja, die typischen Selbstzweifel eben. Sie begleiten mich. Das ist auch okay, ich muss dieser Stimme ja nicht nachgeben.

Im Moment schlafe ich viel, naja, „ruhen“ ist vielleicht der bessere Ausdruck. Ich muss mit meinen Kräften gut haushalten, irgendwie einen Kompromiss finden zwischen rumpimmeln und blindem Aktionismus.

Denn ganz ehrlich, nur rumgammeln ist für mich echt anstrengend. Ich muss erstmal lernen das zuzulassen. Mir wirklich die Zeit für mich zu nehmen. Nicht weil ich es will sondern weil ich es brauche. Weil mein Körper es braucht.

Das ist irgendwie jetzt der Weg. Ich muss erst zum völligen Ego-Arsschloch mutieren, völligst zu mir selbst finden. Alle Teile strikt und rigoros zurückweisen die nicht zu mir gehören, bis nur noch das übrig bleibt was ich wirklich bin. Wer ich wirklich bin.

Ich will kein Ego-Arschloch sein. Ich will gemocht werden. Ich will von allen gemocht werden.

Das ist die alte Platte die „in mir“ läuft. Mein altes Programm.

Ich muss mich so verhalten, dass ich möglichst mit niemandem anecke. Niemanden verletzen. Niemanden vor den Kopf stoßen.

Koste es was es wolle. Ich muss mich verbiegen. Teilweise mache ich das schon so lange, dass es mir gar nicht bewusst ist. So festgefahrene Angewohnheiten. Fesseln die ich mir selbst angelegt habe.

Die meisten von ihnen in meiner Kindheit. Da wo es mir wichtig war dass meine Mutter mich mag.

Diese Zuwendung habe ich offenbar nicht bekommen. Ich habe also gelernt mich so zu verhalten wie es von mir erwartet wird.

Habe mir so einen Kokon aufgebaut der mich umgibt. Einen Kokon aus Erwartungen und Verhaltensweisen. Mechanismen die mir helfen gemocht zu werden.

Das alles funktioniert soweit ganz gut. Funktionierte jedenfalls. Nun ist der Krebs da.

Für mich steht das in unmittelbaren Zusammenhang.

Der Krebs ist da wo ich nicht bin. Je mehr ich mich verbiege und Wege gehe die andere mir weisen, desto mehr Platz mache ich für den Krebs. Der Krebs kann nur da sein wo ich nicht bin…

Also muss ich mir diesen Raum zurückerobern.

Es ist MEIN Leben! Das sind erstmal große Worte und ich kann sie nicht mit Leben füllen, weil ich ja gar nicht weiß was „MEIN“ eigentlich ist. Weil ich es ja nie gelernt habe, nie auf Tuchfühlung mit mir selbst gegangen bin. In mich hinein horche, was „mir“ in Wirklichkeit entspricht.

Klar, bei manchen Dingen weiß ich das. Was ich gerne esse zum Beispiel. Musik die mir gefällt. Die gefällt mir ja nicht weil jemand mir das so beigebracht hat, sondern da kann ich es zulassen das zu mögen was mir entspricht. Da ist mir ja auch Bockwurst was irgendjemand denken könnte. Da lebe ich mich gewissermaßen schon aus, lebe mich selbst.

Vielleicht ist Musik auch deswegen so wichtig für mich.

Ich glaube wenn ich den Tumor besiegen will und auch den Krebs an sich (für mich ist der Tumor nicht der Krebs, das sind 2 verschiedene Dinge), muss ich zu mir selbst finden.

Ich muss meinen Raum einnehmen, den Raum den ich bisher anderen zur Verfügung gestellt habe. Den Raum, den der Tumor sich unter’n Nagel gerissen hat.

Es mag sein, dass der pure Egoismus eine Zwischenstation ist, sicherlich nicht jedoch das Endziel.

Da wo Liebe ist, hat Egoismus ja keinen Platz, insofern ist Egoismus nur eine Zwischenstation.

Darauf muss ich mich konzentrieren. So habe ich wenigstens ein Ziel.

Bei ALLEM was ich tue, sage, erlebe… Kritisch zu prüfen und zu hinterfragen ob mir das wirklich entspricht. Ist das wirklich das was ich will? Will ich das so sagen? Will ich das so tun? Fühlt sich das für mich authentisch an?

Wer bin ich?